Menschen erleben Vorfälle mit Aggression und Gewalt sehr individuell. Unabhängig von der scheinbaren „Schwere“ des Vorfalls oder körperlichen Verletzungen kann das Erlebte einen Schockzustand, ein akutes Psychotrauma auslösen. Akute Belastungsreaktionen treten auf. Eine zunächst einmal normale Reaktion des Körpers auf eine emotionale Ausnahmesituation, die aber für die Betroffenen eine besondere Gefährdung darstellt.
Ein Gewalterlebnis ist in der Regel für die Betroffenen mit einem starken Stressempfinden verbunden. Stress-Studien belegen, dass mit diesen Belastungsreaktionen beträchtliche Einschränkungen der Konzentrations- und Wahrnehmungsfähigkeit sowie sämtlicher kognitiver Fähigkeiten einhergehen.
Dies kann zur Folge haben, das andere Menschen wie z.B. Kollegen oder Klienten gefährdet werden, wenn der Betroffene in diesem Zustand z.B. weiter arbeitet und ihm Fehler unterlaufen.
Studien zufolge erkranken 10 bis 25 % der Betroffenen an einer posttraumatischen Belastungsstörung, die den Betroffenen in seiner alltäglichen Lebensführung mehr und mehr beeinträchtigt: Wiederkehrende, belastende, sich aufdrängende Erinnerungen an das Trauma in Form von Träumen und Albträumen können z.B. auftreten. Viele Betroffene leben danach in einem Gefühl anhaltender Bedrohung. Ihre Umwelt empfinden sie als unsicher und gefährlich, ihr Nervensystem ist in ständiger Alarmbereitschaft.
Schlafstörungen, Ängste, Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit können die Folge sein.
Gelingt die Verarbeitung nicht, resultieren daraus dauerhafte Störungen mit massiven psychischen und (psycho)somatischen Folgen, ein posttraumatisches Belastungssyndrom. Für die Berufsausübung bedeutet das langandauernde Ausfall- und Krankenzeiten.
Kollegiale Erstbetreuer wissen, wie sie die betroffene Person in der akuten Situation unterstützen können: Sie leiten schnell entsprechende Hilfestellungen ein, damit langfristigen Belastungen oder gar einem traumatischen Verlauf entgegengewirkt werden kann.
Die Ausbildung und Bereitstellung von kollegialen Erstbetreuern stellt somit die beste Prävention dar, die eine Institution zur Vermeidung posttraumatischer Belastungssyndrome o.ä. leisten kann. Erlebt ein Mitarbeiter keine oder mangelhafte Unterstützung in dieser Notsituation, so kann dies einen enorm negativen Einfluss auf seine zukünftige Gesundheit, seine Loyalität und seine Arbeitsmotivation haben. Seine sozialen Beziehungen im Arbeitsumfeld verändern sich; es entstehen mehr Arbeitsausfalltage; es geschehen innere Kündigungsprozesse.
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, innerbetriebliche Kollegiale Erstbetreuer auszubilden und bereitzuhalten sowie durch eine optimale Nachsorgekonzeption entsprechende Hilfe zu gewährleisten. Diese Maßnahme ist sowohl zum Wohle des Mitarbeiters als auch zum Nutzen des Arbeitgebers und trägt nicht zuletzt auch wesentlich zur Verbesserung des Arbeitsschutzes in einem Unternehmen bei.